Forschung
Wissenschaft im Zoo
Als wissenschaftlich geführter zoologisch-botanischer Garten gehört es zu den Aufgaben der Wilhelma, Forschung zu betreiben und zu unterstützen. Das bedeutet beispielsweise, dass bei routinemäßig durchgeführten veterinärmedizinischen Untersuchungen Blut-, Gewebe- oder Kotproben gesammelt und aufbewahrt werden, damit sie zu wissenschaftlichen Zwecken genutzt werden können. Wenn ein Tier ohnehin untersucht werden muss, bietet das unter anderem die Gelegenheit für Pulswellenanalysen. Im Zoo können also vergleichsweise einfach für die Forschung relevante Daten erhoben und Proben genommen werden, was bei Wildtieren in der Natur mit viel Aufwand für die Forschenden und oft viel Stress für die Tiere verbunden wäre.
Tierversuche bei Zootieren?
Auch Tierversuche gehören grundsätzlich zu den gängigen Methoden der Forschung. Eines vorweg: „Tierversuch“ muss ganz und gar nicht bedeuten, dass einem Tier Leid zugefügt wird. Besonders uns in der Wilhelma liegt nichts so sehr am Herzen wie das Tierwohl und der Erhalt bedrohter Arten. Untersuchungen, die rechtlich als Tierversuch gelten, wurden in der Wilhelma bislang nur in wenigen Fällen durchgeführt. Dennoch möchten auch wir uns dieser Möglichkeit nicht verschließen. Da der Begriff „Tierversuch“ oft missverstanden wird, sehen wir uns in der Verantwortung, mit dem Thema offen umzugehen. Wir und mehrere andere Zoos haben uns daher der Initiative Transparente Tierversuche angeschlossen. Gemeinsam geben wir in diesem Zusammenhang Antwort auf entscheidende Fragen:
Was ist ein Tierversuch?
Im Deutschen Tierschutzgesetz sind Tierversuche definiert als Eingriffe oder Behandlungen zu Versuchszwecken an Tieren, wenn sie mit Schmerzen, Leiden oder Schäden für diese Tiere verbunden sein können. Der Schweregrad der Belastung eines Tierversuches wird dabei in vier Kategorien eingeteilt: Geringe, mittlere, schwere Belastung sowie letaler Ausgang. Als gering belastende und somit genehmigungspflichtige Tierversuche gelten Untersuchungen auch dann bereits, wenn keine wesentlichen Beeinträchtigungen des Wohlergehens und des Allgemeinzustands verursacht werden. Solche Behandlungen würden auch beim Menschen oder bei Tieren in der ärztlichen bzw. tierärztlichen Praxis ohne Anästhesie oder weitere Schutzmaßnahmen erfolgen. Hierunter fallen beispielsweise Injektionen oder Blutentnahmen. Weiterhin gelten auch Wahlversuche (z.B. Auswahlmöglichkeiten für Tiere zwischen unterschiedlichen Futtermitteln, Gegenständen, Geräuschen, Bodenbeschaffenheiten o.ä.) möglicherweise als genehmigungspflichtige Tierversuchsvorhaben mit geringem Schweregrad.
Tierversuche in zoologischen Einrichtungen?
Wissenschaftliche Forschung und die daraus gewonnenen Erkenntnisse sind die Grundlage zielführender Maßnahmen für den Erhalt der biologischen Vielfalt. Entsprechend sind Zoologische Gärten in Europa per Gesetz (EU RICHTLINIE 1999/22/EG) dazu angehalten, sich an Forschung zu beteiligen, die zur Erhaltung der Arten beiträgt sowie Informationen über die Arterhaltung auszutauschen. Zoos halten weltweit ungefähr 10.000 Tierarten. Dieses Potenzial für die Forschung wird von vielen Zoos genutzt: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Zoos forschen und publizieren eigenständig anhand der Zootierbestände, biologischer Proben und Informationen aus zoointernen Wildtier-Datenbanken. Zudem ermöglichen sie externen Wissenschaftler Zugang hierzu.
In zoologischen Einrichtungen handelt es sich bei Tierversuchen fast ausschließlich um Vorhaben mit geringem Belastungsgrad und dem Ziel der Grundlagenforschung zur Biologie, zur Verbesserung der Haltungsbedingungen und zum Wohlbefinden unserer Tiere. Aber auch veterinärmedizinische, genetische und biochemische Fragstellungen werden untersucht, ebenso wie zur taxonomischen Zu- und Einordnung. Diese Art der Tierversuche belastet die Tiere kaum. In der Regel werden biologische Proben (Blut, Urin, Speichel o.ä.) von den Tieren gewonnen oder ihr Verhalten wird beobachtet.
Anhand der Ergebnisse können die Tiere nach neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen bestmöglich gehalten und veterinärmedizinisch versorgt werden. Auch für die wissenschaftlich basierte Erhaltungszucht liefern Tierversuche hinsichtlich taxonomischer und genetischer Aspekte wichtige Grundlagen. Die Ergebnisse von Tierversuchen in Zoos und Aquarien werden in der Regel in wissenschaftlichen Journalen veröffentlicht und somit der weltweiten Zoo- und Forschungsgemeinschaft sowie der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Dadurch können sie weitere Anwendung finden als Grundlage für wissensbasierte Entscheidungen, Prozesse und Projekte aus den Bereichen Tierhaltung sowie Tier-, Natur- und Artenschutz. Eine Übersicht von wissenschaftlichen Untersuchungen, an denen Tiere in Zoos und Aquarien beteiligt sind, finden Sie in der online Datenbank "ZOO SCIENCE LIBARY" und weiterhin in der VdZ Broschüre "FORSCHUNGSORT ZOO".
Wer genehmigt Tierversuche?
Wer einen Tierversuch durchführen möchte, muss dafür einen behördlichen Genehmigungsprozess durchlaufen. Zu dem Antrag bei der zuständigen Behörde gehören u.a. Nachweise darüber, dass ausreichend Sachkenntnisse für das Vorhaben gegeben sind, dass die Tiere so wenig wie möglich in ihrem Wohlbefinden beeinflusst werden, dass so wenig Tiere wie nötig genutzt werden und dass Tierschutzbeauftragte die Untersuchung befürworten. Die zuständige Behörde wird in dem Genehmigungsprozess zudem von einer unabhängigen, beratenden Kommission unterstützt, die sich mehrheitlich aus fachkundigen Personen aus Tiermedizin, Humanmedizin und Wissenschaft zusammensetzt. Es können aber auch Berufsgruppenangehörige aus dem Bereich Ethik, Philosophie, Theologie oder Rechtswissenschaften in diese Kommissionen berufen werden. Ein Antrag kann abgelehnt werden, wenn der Tierversuch in unterschiedlicher Hinsicht als nicht plausibel, nicht verhältnismäßig und/oder nicht notwendig bewertet wird oder wenn nicht alle Auflagen umgesetzt werden können.
Der gesamte Genehmigungsprozess für Tierversuche ist in Deutschland geregelt u.a. in §8 TIERSCHUTZGESETZ, §15 TIERSCHUTZGESETZ und in der TIERSCHUTZ-VERSUCHSTIERVERORDNUNG. Darüber hinaus gilt die EUROPÄISCHEN RICHTLINIE 2010/63/EU ZUM SCHUTZ DER FÜR WISSENSCHAFTLICHE ZWECKE VERWENDETEN TIERE. Mehr über den GENEHMIGUNGSPROZESS VON TIERVERSUCHEN und über die AUFGABEN VON TIERSCHUTZBEAUFTRAGTEN erfahren Sie bei der Informationsinitiative „Tierversuche verstehen“.
Wer kontrolliert Tierversuche?
Die Tierschutzbeauftragten prüfen vor und während der Versuche, ob die Forschenden alle gesetzlichen Auflagen und Bestimmungen einhalten. In Deutschland sind Tierschutzbeauftragte in der Regel bei der jeweiligen Behörde oder dem Forschungsinstitut angestellt, aber per Gesetz ihrem Arbeitgeber gegenüber nicht weisungsgebunden. Die kontrollierende Funktion in Zoos übernehmen häufig Tierschutzbeauftragte aus wissenschaftlichen Einrichtungen. Zusätzlich wird jeder Tierversuch von unabhängiger Seite, etwa dem Amtsveterinäramt, überwacht. Das Amt prüft, ob die Versuche vorschriftsgemäß dokumentiert, die Versuche korrekt durchgeführt und die Tiere artgerecht gehalten und so wenig wie möglich belastet werden.
Was besagt das 3R Prinzip?
Das 3R PRINZIP wurde 1959 von den britischen Wissenschaftlern William Russel und Rex Burch postuliert. Die „3R“ stehen für die Reduzierung (Reduction) und Verfeinerung (Refinement) von Tierversuchen sowie die Entwicklung von Alternativmethoden (Replacement). Die Mitglieder des Verbands der Zoologischen Gärten unterstützen dieses Prinzip.